Gewissensfreiheit unter Druck - Eine Freiheit, die uns alle betrifft

Gewissensfreiheit unter Druck - Eine Freiheit, die uns alle betrifft
Demo vor dem Paul-Löbe-Haus am 11. Juli 2025, Fotos vom Marsch für das Leben 2024 (Fotos: © Bundesverband Lebensrecht e.V.)

Eine Gewissensentscheidung ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien von ‚Gut‘ und ‚Böse‘ orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte“. Die Freiheit des Gewissens, so heißt es in Artikel 4 Grundgesetz, ist „unverletzlich“.

Trotz dieser klaren Aussagen gerät die Gewissensfreiheit zunehmend unter Druck. Vor allem Apotheker, Ärzte, Hebammen sehen sich Situationen ausgesetzt, die sie in Gewissensnot führen. Ein Beispiel ist der Apotheker Andreas Kersten aus Berlin. Er hatte aus Gewissensgründen davon abgesehen, die „Pille danach“ zu verkaufen. Die Apothekerkammer sah darin eine Verletzung seiner Berufspflicht und brachte ihn vor Gericht. Der Prozess dauerte sechs Jahre. Trotz Freispruchs sprach ihm das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sein Recht auf Gewissensfreiheit ab. Kersten sei ein „unvermeidlicher rechtlicher Irrtum“ unterlaufen. Er habe es nicht besser wissen können, als er glaubte, den Verkauf der „Pille danach“ aus Gewissensgründen verweigern zu dürfen. Tatsächlich dürfe er genau das nicht. Die Urteilsbegründung widerspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Doch sah sich Kersten gezwungen, seine Approbation als Apotheker abzugeben, da ein neues Verfahren in Berlin zu einer Verurteilung geführt hätte. Erst das BVerfG hätte sein Recht bestätigen können.

Hier zeigt sich ein besorgniserregender Trend: Der Staat scheint bereit, Menschen aus ihrem Beruf zu drängen, anstatt ihre Gewissensentscheidungen zu respektieren. Hebammen, die sich weigern, an Abtreibungen mitzuwirken, erfahren Ausgrenzung und Druck. Ärzte, die keine Beihilfe zum Suizid leisten wollen, geraten in Konflikte. In der Reproduktionsmedizin werden Stimmen, die sich für das Lebensrecht ungeborener Kinder und gegen Leihmutterschaft einsetzen, als unzeitgemäß abgetan. Wer in Medizinberufen tätig ist, soll offenbar ohne Gewissensvorbehalt funktionieren. Doch wenn Überzeugungen nicht geschützt, sondern sanktioniert werden, verliert das Grundrecht auf Gewissensfreiheit seinen realen Wert.

Freiheitliche Gesellschaft braucht den Schutz auch unpopulärer Überzeugungen. Wenn Einzelne durch moralische Konflikte isoliert und ausgegrenzt werden, gefährden wir unser demokratisches Grundverständnis. Gewissensfreiheit muss konkret gesichert bleiben – damit Menschen wie Andreas Kersten nicht zwischen Beruf und Gewissen wählen müssen. Denn ihr Schutz dient nicht nur Einzelnen, sondern der gesamten Gesellschaft.

Dr. Felix Böllmann und Sofia Hörder sind für ADF International in Wien tätig. www.adfinternational.org/de.
(Dr. Böllmann wird am 20.09. beim Marsch für das Leben in Köln zu diesem Thema sprechen, Herr Kersten in Berlin.)

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