„Hirntod“, Organspende und die angenommene Zustimmung · Doyen Nguyen
Eine Zustimmung kann nicht angenommen werden, da der „Hirntod“ nicht der wirkliche Tod ist
Der deutliche Rückgang der Organspenden in Deutschland in den letzten Jahren hat die Debatte über die Widerspruchsregelung (Opt-out-Regelung) wieder ins Blickfeld der deutschen Politik gerückt. Bislang ist Deutschland eines der wenigen europäischen Länder, in denen das Einwilligungssystem (Opt-in-System) für die „postmortale“ Organspende noch in Kraft ist.
Mitte 2018 schlug der Gesundheitsminister Jens Spahn jedoch einen Gesetzentwurf zur Änderung des derzeitigen Einwilligungssystems (Opt-in) in ein Widerspruchsystem (Opt-out) vor. Hierdurch soll eine Erhöhung der Organspendenzahl erreicht werden. Über diesen Gesetzentwurf soll der Bundestag in den kommenden Monaten dieses Jahres (2019) entscheiden. Die aktuelle Debatte in Deutschland über das Organspendegesetz berührt nicht nur das umstrittene Konzept der angenommenen Zustimmung (die Grundlage für die Widerspruchsregelung), sondern auch die hartnäckige Kontroverse um den „Hirntod“, da der Großteil der angeblich „postmortalen” Organe aus hirntoten Spendern entfernt wird. Die Analyse in diesem Aufsatz zeigt, dass die angenommene Zustimmung, wie sie derzeit praktiziert wird, keine echte Zustimmung, sondern eine bloße Fiktion ist. Die angenommene Zustimmung (und damit das Widerspruchssystem) wären nur dann gerechtfertigt, wenn die Öffentlichkeit umfassend über die tatsächliche Realität des „Hirntods“ informiert würde. Ein Rückblick auf die historischen Ereignisse und die Manuskriptentwürfe des Harvard Reports zeigen den inhärenten utilitaristischen Zusammenhang zwischen den Interessen an Organtransplantationen und der Einführung des „Hirntods“ im Jahr 1968.
Der „Hirntod“ ist nicht der wirkliche Tod, sondern ein medizinisch-rechtliches Konstrukt. Durch dieses Konstrukt werden die tiefkomatösen Patienten (die als irreversibel gelten) für tot erklärt, damit ihre Organe legal entfernt werden können. Bevor der Staat eine Widerspruchsgesetzgebung (Opt-out-Gesetzgebung) für die Organspende einführt, muss er daher zunächst seine Informationspflicht erfüllen: Der Staat muss also seine Bürger darüber informieren, dass sie als Organspender noch nicht tot sein werden, sondern erst durch den Prozess der Organentnahme getötet werden.
Weitere Fachvorträge zum Thema „Hirntod“
Literaturempfehlung
- Seifert, Josef. „Interview - Den Hirntod gibt es nicht - Ich erkläre Ihnen die Gründe“. In: Medizin & Ideologie 01/19, 6-13.
- Nguyen, Doyen. The New Definitions of Death for Organ Donation: A Multidisciplinary Analysis from the Perspective of Christian Ethics. Foreword by Professor Josef M. Seifert. 1. Aufl. Peter Lang Group AG, International Academic Publishers, 2018.