„Nicht nur missverständlich, sondern auch politisch naiv.“

„Nicht nur missverständlich, sondern auch politisch naiv.“
Vor dem Paul-Löbe-Haus am Donnerstag, den 6. Juli 2023

Stellungnahme des Bundesverbands Lebensrecht zum Kommentar des Münsteraner Bischofs Felix Genn auf domradio.de vom 6. Juli 2023 zum Scheitern einer gesetzlichen Regelung der Suizidbeihilfe im Deutschen Bundestag


Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat am 6. Juli 2023 in einem Beitrag auf domradio.de das Scheitern des Gesetzgebungsverfahrens zur Suizidbeihilfe im Bundestag kritisiert. Eine solche Neuregelung sei notwendig, damit der assistierte Suizid nicht zur „gesellschaftlichen Normalität am Lebensende“ werde. Zudem müsse, „[e]in solches Konzept“ so Genn, „die Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches so weit wie möglich gewährleisten“.

Aus Sicht des Bundesverbands Lebensrecht sind diese Worte nicht nur missverständlich, sondern auch politisch naiv.

Missverständlich deshalb, weil die oft postulierte „Freiverantwortlichkeit des Suizidwunsches“ eine Chimäre ist, die in der Lebenswirklichkeit so gut wie nie vorkommt, wie die Suizidforschung immer wieder gezeigt hat. Fast immer ist der Suizidwunsch Ausdruck einer psychischen Erkrankung oder Reaktion auf eine als unerträglich empfundene Lebenssituation.

Politisch naiv deshalb, weil sowohl der liberale Gesetzentwurf von Henning-Plahr, Künast u.a. als auch der restriktivere Entwurf von Castellucci u.a. indirekt zu einer Normalisierung der Suizidbeihilfe beigetragen und den kommerziellen Suizidhilfeorganisationen, die man eigentlich verhindern will, in die Hände gespielt hätten. Wie der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, kürzlich bemerkte, könnte jede gesetzliche Regelung dazu führen, dass das Handeln solcher Organisationen „als in besonderer Weise legitimiert“ und als „staatlich anerkannt und geprüft“ erscheinen könnte – „ein Werbeargument“, so Dabrock, „das seine Wirkung kaum verfehlen dürfte“.

Der Bundesverband Lebensrecht stimmt mit Bischof Genn darin überein, dass Hospizarbeit und Palliativmedizin finanziell stärker gefördert werden müssen. Der Bundesverband geht darüber hinaus und fordert die Etablierung einer umfassenden Kultur des Lebens, einschließlich der Einrichtung von Lebensoasen in katholischen medizinischen und sozialen Einrichtungen, aber nicht nur dort, damit der Gedanke an Suizid gar nicht erst aufkommt. Besondere Wachsamkeit ist geboten, wenn Begriffe wie „Altersrationierung“ in Umlauf gebracht werden, wie jüngst von der derzeitigen Vorsitzenden des Ethikrates, Alena Buyx, in einem Interview mit dem „Spiegel“.

Der Staat und erst recht die Kirche haben die Pflicht, das Leben jedes Menschen zu schützen – ohne jede Kosten-Nutzen-Rechnung. Jede Verwirrung oder Verwässerung dieser Haltung, und sei sie auch noch so wohl gemeint, ist zu vermeiden.

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