Transhumanismus

Der Traum vom „neuen Menschen“ von Prof. Dr. Paul Cullen

Transhumanismus

Der Mensch ist kein abgeschlossenes Wesen, das sich wie das Tier in der Natur instinktsicher zurechtfindet, sondern ein „Mangelwesen“ (Arnold Gehlen), das nach einer Vollendung sucht, die in dieser Welt nicht zu finden ist.

Früher versuchte man, diesen Mangel durch eine magische Verschmelzung mit dem Tier, dem oft göttliche Eigenschaften zugesprochen wurden, aufzulösen. Der moderne Mensch, der Gott getötet hat (Friedrich Nietzsche), versucht, diese Verschmelzung nicht auf magische oder religiöse, sondern auf technologische Art umzusetzen.

Ziel des Transhumanismus ist, die Grenzen der menschlichen Spezies mittels Technologie zu überwinden, sei es durch die Schaffung von Mensch-Tier-Hybriden, durch Versuche, den Menschen genetisch zu „optimieren“, oder durch Verschmelzung des Menschen mit der Maschine.

So unglaublich diese Gedanken klingen mögen: Sie werden von einigen der klügsten Köpfe verfolgt und gehören zu den Kern-Forschungsbestrebungen von Industrie und Regierungen auf nationaler und internationaler Ebene.

Die geistigen Wurzeln des Transhumanismus liegen im England des späten 19. Jahrhunderts.

Ein Verbreiter der Ideen von Charles Darwin war Thomas Henry Huxley, Großvater des Eugenikers Julian Huxley und seines Bruders Aldous, Autor des berühmten, 1932 erschienenen Buchs „Schöne Neue Welt“. Viele Ideen des Transhumanismus werden in „Schöne Neue Welt“ vorweggenommen, etwa die künstliche Befruchtung und das Klonen von Embryonen.

Diese Ideen stammen aber wahrscheinlich nicht von Aldous, sondern von Julian, der im Buch „New Bottles for New Wine“ 1957 den Begriff „Transhumanismus“ geprägt hat. Dieser Buchtitel, ein Hinweis auf das Gleichnis des neuen Weins in alten Schläuchen (Lukas 5,37), verrät Julian Huxleys Intention: Der „neue Wein“, die neue Technologie, liege schon bereit und nun sei es Zeit, nach den „neuen Schläuchen“, den neuen Menschen, zu rufen.

Also war es von Anfang an das Ziel des Transhumanismus, nicht nur die Fähigkeiten des Menschen technisch zu verbessern, sondern die menschliche Natur neu zu definieren. So mächtig neue Technologien wie Gentechnik, Robotik, künstliche Intelligenz oder Nanotechnologie sein mögen – sie werden den Menschen nicht überflüssig machen.

Solche Befürchtungen werden seit der Industriellen Revolution regelmäßig artikuliert, haben sich aber nie realisiert. Vielmehr deutet die demographische Entwicklung darauf hin, dass wir uns eher auf einen Arbeitskräftemangel als auf„nutzlose Menschen“ (Yuval Noah Harari) einzustellen haben.

Die wahre Gefahr liegt nicht in der Verwendung von Technologie, um physische oder geistige Fähigkeiten des Menschen wiederherzustellen oder zu verbessern, sondern in einem fehlgeleiteten Heilsversprechen. Mit diesem falschen Glauben umzugehen ist die Herausforderung des Transhumanismus.

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