Wenn die Liebe stärker als der Tod ist
Die Geschichte von Jan Kavalír ging kürzlich durch die tschechischen Medien. Er leidet seit acht Jahren an der neurodegenerativen, unheilbaren Amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Die Krankheit zerstört seine Muskulatur. Aus dem ehemaligen Fitnesstrainer, der früher mit seiner Kraft warb, ist ein Patient geworden. Nach acht Jahren Krankheit ist er auf die 24-Stunden-Pflege seiner Frau angewiesen. Er kann weder Beine noch Arme oder Hände bewegen. Die Kommunikation erfolgt über ein spezielles Gerät, das er mit den Augen steuert. Aus diesen Gründen hatte er sich für den assistierten Suizid in der Schweiz entschieden. Die „Sterbebestellung“ bei Dignitas koste 13.000 Euro, erzählt Martina Kavalírová, die Frau von Jan Kavalír, der Zeitung „Denník N“ in einem Interview.
Am Abend vor der Abfahrt in die Schweiz entschieden sie sich, doch nicht loszufahren. Der Anstoß, sich gegen den assistierten Suizid zu entscheiden, kam von Jans Frau. Martina war nämlich im Dezember schwanger geworden, als sie am wenigsten damit gerechnet hatte. Im September soll ihr erstes Kind zur Welt kommen. „Gibt es einen besseren Grund zum Leben als das eigene Kind?“, fragt Martina. Als zweiten Grund für die Pro-Life-Entscheidung nennt sie die Unterstützung durch ein mobiles Hospiz. Bisher hat sie ihren Mann allein gepflegt.
Die Entscheidung für das Leben erfüllt beide mit Frieden. „Nichts schien mir nun unmöglich zu sein.“ Ihrem Mann hatte sie bis dahin nie gesagt, dass er weiterleben solle. Jan erzählte ihr am nächsten Tag, worauf er sich in den kommenden Tagen freuen werde. Das Paar geht mit der Situation nun völlig anders um. Jan wird hospizlich begleitet sterben. Seine Tochter wird in einigen Monaten geboren werden.
Es ist eine Geschichte, die unter die Haut geht. Sie zeigt, dass der Wunsch nach „Sterbehilfe“ eher ein Hilferuf derer ist, die nicht genügend Unterstützung bekommen. Sie zeigt uns auch, dass die Liebe (der Eheleute zueinander und der Eltern zu ihrem Kind) dem Sterbenden einen neuen Lebenssinn gibt. Eine besser ausgebaute Hospizversorgung kann dabei helfen, den Wunsch zu sterben in eine neue Sehnsucht nach dem Leben zu verwandeln, einem Leben, das auch in scheinbar ausweglosen Lagen noch Sinn, Wert und Würde hat.
Maria Fuchs