„Wer Frauen ernstnimmt, mutet ihnen Wahrheiten zu.“

Buchbesprechung: Sabina M. M. Scherer; Mehr als ein Zellhaufen. Wie wir konstruktiv über Abtreibung sprechen können. SCM-Verlag, 20,– EUR. ISBN: 978-3-7751-6212-8

„Wer Frauen ernstnimmt, mutet ihnen Wahrheiten zu.“

Von Menschenwürde über Argumentationstechnik bis zu Extremfällen: In ihrem Buch fasst die Psychologin Sabina Scherer Themenbereiche, Fallen und Argumente leserlich und umfassend zusammen. Scherer bringt Scheindebatten anschaulich ans Licht: Bei der typischen Heranziehung von Vergewaltigung und medizinischer Notlage zur Rechtfertigung von Abtreibung fragt sie zunächst, ob der Gesprächspartner zustimme, dass nur in diesen Fällen Abtreibung zulässig sein solle. Sonst sei dieses Gespräch überflüssig. Auch eine andere Frage ist hier interessant: Wenn man argumentiert, dass eine Frau nach Vergewaltigung frei über Abtreibung entscheiden darf, könnte man auch die Frage aufwerfen, ob sie darüber entscheiden soll, ob der Vergewaltiger zum Tode verurteilt wird. Zu Recht gäbe es hier wohl Widerstand – warum aber dann nicht auch in Bezug auf den Tod des unschuldigen Kindes? Leicht getrübt wird die Buch-Qualität lediglich durch Kleinigkeiten wie das Fehlen deutschsprachiger Quellen oder die nicht konsequent eingehaltene Stringenz beim Thema Veganer. Auch die gute Idee einer Zusammenfassung am Ende jedes Argumentationsfeldes mit wörtlich übernehmbaren Aussagen oder Fragen gelingt nicht überall.

Scherer entlarvt einige Narrative und Widersprüche, appelliert an Entspannung und gegenseitiges Wohlwollen in Debatten – in der Tat ein wichtiger Ansatz. Interessant ist auch die These, dass man als Lebensrechtler in positivem Sinne feministisch sein und das Thema besetzen kann.

Das christliche Menschenbild vertritt sie uneingeschränkt, plädiert nur für eine Art des Umgangs, Auftretens und der Wortwahl, die es sozusagen auch Nichteingeweihten erlaubt, die Argumentation nachzuvollziehen und sich zum Gespräch ermutigt zu sehen – alles Wasser auf die Mühen der Rezensentin. Für Neueinsteiger in die Debatte eine hervorragende Grundlage. Für Lebensrechts-„Profis“ eine gute Zusammenfassung mit einigen neuen Aspekten. Die im Buch zitierten Vorschusslorbeeren sind berechtigt. Unbedingt empfehlenswert.

Alexandra Linder

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